Papa und Baby

Lenas Interview mit Reinhard Steurer: „Sollte man angesichts der Klimakrise noch Kinder bekommen?“

Lena hat im Zuge des Leitprojektes „KEM-Baby – Klimafreundlich ins Leben starten“ Expertinnen-/Experteninterviews geführt. Die Erkenntnisse daraus möchten wir euch nicht vorenthalten, daher werden wir sie in einem zweiteiligen Special hier veröffentlichen >> and here comes >> Nr. 1 >>

Die Klimakrise ist eine der präsentesten Themen der heutigen Zeit. So kommt man fast nicht aus sich damit zu beschäftigen. Schon gar nicht, wenn man ein Kind bekommen hat und überlegt in welcher Welt dieses aufwachsen wird. Oder ob man angesichts der Klimakrise überhaupt noch Kinder bekommen sollte oder darf? Über diese Fragen haben wir uns mit Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien, unterhalten. Die Kurzantwort seitens Steurer lautet: „einen großen ökologischen Handabdruck zu haben, ist viel wichtiger, wie die Frage, ob man Kinder kriegen soll oder nicht“. Was das genau bedeutet, lest ihr im Beitrag.

Reinhard Steurer, Assoc. Prof. Mag. Dr. © Universität für Bodenkultur

Reinhard Steurer ist Politikwissenschaftler und arbeitet an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Klimapolitik – hat dieser Politik also beim Wachsen zugesehen. Das ist oft frustrierend, weil wie er sagt, „die Fortschritte nicht das waren, was ma brauchen würden.“

Da fragt man sich, welche Fortschritte und somit Maßnahmen braucht es denn, um der Klimakrise besser entgegenzutreten?

Steurer betont vor allem Emissionsreduktionen. Und das „überall dort, wo Emissionen passieren“. Dabei helfe es nicht auf Andere zu zeigen und zu sagen, die seien schuld. „Wenn man Auto fährt, glaubt man, der Flugverkehr ist schuld. Wenn man viel fliegt, glaubt man, die Autofahrer sind schuld. Und wenn man alles tut, dann zeigt man auf die Chinesen. Es nutzt nichts, auf andere Dinge zu zeigen. Das nennt man Whataboutism. […] Wir müssen überall gleichzeitig reduzieren und das möglichst rasch und viel und das betrifft dann wirklich jeden Lebensbereich“.

So entkräftigt er auch das Argument, dass es zu viele Menschen gäbe und die dadurch abgeleiteten Theorien und Bewegungen, die sagen, die beste Lösung sei es, auf Kinder gänzlich zu verzichten. Denn wer keine bekäme, produziere allein dadurch viel weniger CO2, aber was ist dran am Argument?

Steurer entkräftigt diese Aussage, denn das Problem seien nicht die Menschen an sich und auch nicht die Anzahl an Menschen, sondern die Lebensweise der Personen. Die Berechnungsgrundlagen solcher Argumentationen seien oft verschroben, wenn etwa Dinge wie die Atmung oder die fiktive Lebensweise der Kindeskinder miteinbezogen werden. Viel wichtiger ist der Fokus auf die Lebensweise – denn diese gilt es zu ändern. So liegt für Steurer die Lösung auf der Hand, „wir müssen raus aus dem fossilen Zeitalter und dann ist die Geburtenrate oder die Zahl der Menschen mehr oder weniger egal. Weil dann würden alle ohne Emissionen leben. Und das ist das Ziel. Da müssen wir hin.“

Aber wie funktioniert das und was kann ich als Einzelperson beitragen?

Hier gilt es zwei verschiedene Ansätze miteinander zu kombinieren: den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und zugleich den Handabdruck zu vergrößern.

Generell zielt das Konzept des ökologischen Fußabdrucks darauf ab, dass Menschen ihre eigenen CO2-Emissionen durch individuelle Handlungen minimieren – vor allem in den Bereichen Heizen, Mobilität und Ernährung können Einzelpersonen besonders viel erreichen, wie Steurer erklärt: „Beim Heizen, wenn man die Möglichkeit hat, […] einfach möglichst bald raus aus fossilen Energien, rein in Wärmepumpen statt Pellets. […] Bei der Mobilität einfach darauf achten, dass man Autofahren reduzieren kann. Nur wenige am Land werden ohne Auto leben können. […] Aber bewusster damit umgehen können alle […]. Und noch wichtig, auf Fliegen entweder verzichten oder deutlich reduzieren. Das Fliegen ist wirklich extrem schädlich. Bei der Ernährung wäre wichtig, deutlich weniger Fleisch zu essen […] und auch Milchprodukte bewusst einsetzen. Das ist so ein Beispiel, wo mehr Klimaschutz zugleich auch gesünder ist.“

Wesentlich ist für Steurer darüber hinaus, einen kleineren Fußabdruck mit einem größeren ökologischen Handabdruck zu kombinieren. Wir können die Klimakrise nicht allein und individuell lösen, sondern nur, wenn eine Mehrheit an einem Strang zieht. Ein erster wichtiger Schritt ist es daher, über das Thema Klimakrise und eigene umgesetzte Maßnahmen zu reden. Denn „es ist ganz wichtig, dass so viele Menschen wie möglich laut und deutlich zu verstehen geben, dass es so nicht weitergehen kann, dass sie sich äußern dazu, dass sie Stellung beziehen, dass sie protestieren, ob auf der Straße oder sonst irgendwo, mit Leserbriefen oder Emails an Politiker. Aus den Aktionen soll klar hervorgehen: So kann es nicht weitergehen. […] Wir schaffen es nicht, indem jeder einzelne versucht weniger Auto zu fahren, weniger Fleisch zu essen, weniger zu fliegen, weil man sieht ja, da bemühen sich Einzelpersonen und der Nachbar macht das alles zunichte. So funktioniert das nicht. Es braucht eben Regeln für alle und die kommen nur, wenn sie eingefordert werden“. Wichtig ist, dass jede Person eine bessere Klimapolitik einfordern kann und soll. Am besten funktioniert es aber natürlich, wenn das eigene Verhalten das politische Engagement Hand in Hand gehen, also der Fußabdruck kleiner und parallel der Handabdruck größer wird.

Klimastreik

Abschließend am aller Wichtigsten ist es Steurer, dass wir jetzt handeln. Denn „wir entscheiden das jetzt in dem Jahrzehnt, wo das hingeht. Ja, 20 Jahre in der Zukunft, da wissen wir dann schon, was Sache ist.“ Also setzt euch jetzt, gemeinsam, für eure Zukunft und die eurer Kinder ein!

Jugendlichenstammtisch

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